Taiji ist nur etwas für alte Leute. Für die Jungen ist das viel zu langsam. Wirklich?! Seit 2014 unterrichte ich Taiji im Pflegezentrum Bachwiesen und zwar nicht etwa den älteren Heimbewohnern, sondern den jungen Auszubildenden, die aus ganz verschiedenen Arbeitsbereichen wie etwa Pflege, Hauswirtschaft, technischer Dienst, KV und Physiotherapie kommen. Mein Schwerpunkt in diesem Kurs ist das Vermitteln der Taiji-Bewegungsprinzipien, welche die Jugendlichen in ihrem Lern- und Arbeitsalltag unterstützen sollen. Dies tue ich mittels kurzen, leicht zu erlernenden Grundlagenübungen mit grossem Vertiefungspotential, aber auch anhand der 5-Elemente Taiji-Kurzform und Achtsamkeitsübungen am Boden.
Dieser Kurs wurde als Massnahme zur Gesundheitsförderung der Auszubildenden am Arbeitsplatz ins Leben gerufen. Aufgrund der positiven Resonanz und der abnehmenden Krankheitstage bei den Teilnehmenden ist dieses Pilot-Projekt erfolgreich weitergeführt worden. Letzten Mittwoch durfte ich gemeinsam mit Frau Margarete Römpler, Qualitäts- und Gesundheitsbeauftragte am Pflegezentrum Bachwiesen und Initiantin dieses Projektes, in Bern an der Verleihung des Grands Prix Suisse „Gesundheit im Unternehmen 2016“ den dritten Preis entgegennehmen.
Am Anlass wurde ich gefragt, was meiner Meinung nach die Wirkung von Taiji ausmache. Gewiss haben die langsamen Bewegungsabfolgen eine beruhigende und ausgleichende Wirkung auf Körper und Geist. Doch damit diese Effekte nicht nur im Kursraum bleiben, sondern sich auch im Arbeitsalltag selbstwirksam bemerkbar machen, ist ein bewusstes Erleben von den für das Taiji charakteristischen Bewegungsprinzipen förderlich. Zum Beispiel reicht es nicht aus, lediglich zu wissen, was „geerdet sein“ heisst. Ein tieferes Verständis von „geerdet sein“ eröffnet sich, wie es der Ausdruck denn auch bezeichnet, im Sein. „Geerdet sein“ will also erlebt und dadurch dann auch immer mehr verinnerlicht, bzw. verkörpert werden. Dann erst können Transfereffekte am Arbeitsplatz und auch Andernorts wirkungsvoll zustande kommen. Schön und gut, aber wie bringt man dieses achtsame nach Innen Lauschen Jugendlichen näher? Mit Zigi, Redbull, What’s-up und dergleichen sind sie es eher gewohnt, sich äusseren Reizquellen zuzuwenden? Da ist dann meine Rolle als Lehrer (= ebenfalls eine äussere Reizquelle) gefragt, um die Jugendlichen bei ihrer Aufmerksamkeitslenkung anzuleiten und hierfür unterstützende Bedingungen zu schaffen. Beziehungsaufbau ist meines Erachtens besonders wichtig, damit ein lernfreundliches und wertschätzendes Arbeitsbündnis zustande kommen kann. Auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen, sie dabei aber doch auch ihrer eigenen Verantwortlichkeit gewahr werden zu lassen, kann spannende Erlebnissen hervorbringen. Ein für mich besonders eindrückliches Beispiel hierfür war, wie ich einmal mit Rap Musik im Hintergrund gemeinsam mit 25 Jugendlichen in einer absoluten inneren Stille und Konzentration in der Gruppe durch die Taiji-Form durchgeflossen bin. Ein konstruktives, gegenseitiges Entgegenkommen wurde da vermittelt, durch welches scheinbare Gegensätze (laute Rap Musik vs. stille Bewegungsmeditation) vereint wurden – ist das nicht eine wertvolle Anregung für den Arbeitsalltag?!
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offizielle Pressemitteilung:
Investition in die Zukunft: die Gesundheit der Auszubildenden fördern
Der dritte Platz ging an das Pflegezentrum Bachwiesen. Dieses legte bei seinem Projekt bewusst den Fokus auf die jungen Mitarbeitenden, um sie bei ihrem Einstieg ins Berufsleben zu unterstützen. Dazu bot das Pflegezentrum seinen Auszubildenden unter professioneller Anleitung von Herrn Dr. phil. Marko Nedeljkovic Taiji-Lektionen während der Arbeitszeit an. Ziel war, eine Methode zur Entspannung zu vermitteln, muskuloskelettalen Beschwerden vorzubeugen, aber auch die Lernenden verschiedener Berufsgruppen mit unterschiedlichen Zeitplänen und Kurseinheiten zeitlich und örtlich zusammenzubringen. Dabei waren die Führungskräfte Schlüsselfiguren für die erfolgreiche Umsetzung und Teilnahme der Jugendlichen an den Kursen.
«Die Sensibilisierung unserer Lernenden und Praktikanten für ihre eigene Gesundheit und den Umgang mit Belastungen sowie die Möglichkeit für Entspannung am Arbeitsplatz möchten wir als Betrieb fördern und ist Ausdruck unserer Wertschätzung gegenüber den Auszubildenden», betont Margarete Römpler, Qualitäts- und Gesundheitsbeauftragte.
Die vollständige Pressemitteilung ist unter folgendem Link der Gesundheitsförderung Schweiz abrufbar.