Liebe Taiji-Freunde, seit dem letzten Blog-Eintrag sind nun einige kalte Wintertage mit Brotbacken, Schlittenfahren und Taiji-Sessions im Schnee vergangen. Heute aber scheint die warme Frühlingssonne durch die frisch geputzten Fenster in die Stube. Frühlingsputz, sauberen Tisch machen, Steuererklärung ausfüllen und solche Sachen, wo Altes nochmals aufgewirbelt wird, damit es sich dann wieder neu und an seinem richtigen Ort setzen lassen kann … dann gibt’s auch wieder mehr Raum für neue Entdeckungsreisen.
In den letzten Monaten habe ich unter anderem einen Beitrag über Taiji im Newsletter des Netzwerks für Aquatische Körperarbeit (NAKA) verfasst und zusammen mit Martina Paszti ein Interview in der Zeitschrift „Arzt, Spital, Pflege“ über inhaltliche und prozesuelle Aspekte im Taiji gegeben. Dabei bin ich auch immer wieder auf die Ergebnisse meiner Taiji-Forschungsarbeiten zu sprechen gekommen. Rückblickend merke ich wieder einmal mehr, wie wichtig mir der Praxisbezug meiner Taiji-Studien ist. Als ich kürzlich für meine Dissertationsschrift „Taiji und Stressprotektion: Psychobiologische Untersuchungen“ in Freudenstadt den Förderpreis des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren (ZAEN) entgegennehmen durfte, wurde ich von Herr Dr. Rainer Stange, dem ZAEN-Vorsitzenden, als ein „Mann der Forschung und der Praxis“ vorgestellt. Das hat mich sehr gefreut, weil es a) stimmt und b) noch stimmiger wird 🙂 Bis anhin habe ich in erster Linie Forschung FÜR die Praxis gemacht und mich dabei überwiegend objektivierbaren, normothetischen Methoden bedient, was auch erfreulicherweise zu anerkennenden Resultaten geführt hat. Nun zieht es mich aber stärker zu qualitativen Forschungsmethoden hin, wobei ich ein besonders grosses Erkenntnispotential in der Introspektion um das Entstehen, die Entfaltungs- und Wirkweise der Taiji-Bewegungen ahne. Es wird also noch stärker in Richtung Taiji-Forschung IN und DURCH die Übungs- und Unterrichtspraxis gehen. Und so schenken mir diese ersten Frühlingstage viele kreative Impulse zur entspannten Verlagerung von der leistungsorientierten „Wissensschaffung“ hin zur unmittelbaren „Wissensfindung“ durch achtsames Wahrnehmen, raumschenkendes Empfinden und Entdecken, was da alles noch im Taiji drinn stecken kann 🙂 Für manche LeserInnen mögen diese Gedankengänge vielleicht etwas abstrakt oder gar kryptisch klingen. Das ist auch ganz i.O. so, denn die Konkretisierung des kreativen Potentials, welches Gedanken in sich tragen können, entfaltet sich ja erst durch die aus ihnen geborenen Handlungen. Ok, ich gebe zu, dass dies jetzt wohl auch wieder als eine abstrakte Betrachtung aufgefasst werden kann, die jedoch hoffentlich nicht nur mich zum Füllen mit konkreten Inhalten einladen soll 🙂 Was mich anbelangt, so spüre ich in mir eine wachsende Offenheit und Neugier, Taiji im Dialog mit anderen bewegenden und gestaltenden Künsten, wie beispielsweise dem Shinaiki, der Kontaktimprovisation, dem Kungfu und der Kalligraphie zu erleben, aber auch Selbsterfahrungen aus körpertherapeutischen Verfahren wie dem Wassershiatsu, dem Tuina und der Craniosakraltherapie in das Erleben und Gestalten der Taiji-Bewegungen miteinzubeziehen. Und so ist es beispielsweise auch zu einer kreativ-bewegten „Taiji meets Alphorn“ Jam-Session zusammen mit Martina Hans und Matthias Kofmehl am letzten ASA TCM-Kongress in Solothurn gekommen 🙂
Besonders spannend finde ich auch, wo und wie sich das Taiji im Alltag bemerkbar machen kann und so auch ausserhalb des Kursraumes auf eine natürliche und freudvolle Weise praktische Anwendung finden kann. Dies ist auch das aktuelle Taiji-Forschungsprojekt, welches ich gemeinsam mit Agnes Schitter am gestalten bin. Im Übrigen war auch hierbei eine qualitative Forschungsmethode, nämlich die der offenen Befragung, grundlegend für eine sehr ausgiebige Datenerhebung. Sobald die Ergebnisse da sind, wird es wieder einen neuen Blog-Eintrag geben. Bis dahin wünsche ich allen einen ganz schönen, kreativ-inspirierenden Frühlingsanfang!
P.S. noch eine kleine Vorankündigung für den Sommer: Vom 5. bis 10.August 2013 wird in Zürich jeweils morgens und abends ein einwöchiger, täglicher „open-air“ Taiji-Kurs stattfinden. Alle die Lust und Zeit haben, sind herzlich zum Mitmachen eingeladen! Genauere Infos kommen noch …