Mit einer grossen „Entschleunigung“ hat die Anreise zum Seminarort im Valle Onsernone begonnen. Kurz vor Bellinzona ist mein Zug stecken geblieben und nach zwei Stunden des Wartens in Ungewissheit an Ort und Stelle habe ich meine erste Zugevakuierung auf offener Bahnstrecke erlebt. Es dauerte dann doch noch eine gute Weile, bis zur Ankunft in Intragna, wo dann der knapp 4 stündige Wanderweg zur Alp Collo hoch erst seinen Anfang nahm. Normalerweise reichen für den Aufstieg etwa 3 Stunden. Doch mit meinem für die kommenden Tage reich an Lebensmitteln bepacktem Rucksack war eher „achtsame Gehmeditation“ angesagt. So konnte ich mich bestens in Zentrierung und vertikaler Ausrichtung üben. Oben einmal angekommen wollte es dann auch mit dem abendlichen Brotbacken nicht so recht klappen. Irgendwie dauerte alles an diesem Tag einfach viel länger als geplant. Gut Ding will eben seine Weile haben – schön, wenn es diese dann auch bekommt! 🙂
Dieses Jahr fand das Taiji-Seminar auf der Alp zum ersten Mal während vier Tagen statt – also einen Tag mehr als bisher – und das war dann auch wirklich sehr gut so. Alles hatte etwas mehr Zeit. Neben den intensiven und gehaltvollen Trainingsstunden gab es zum Ausgleich immer auch geruhsame Verdauungs- und Erholungspausen während der Siesta, wie auch am Abend nach dem Znacht. Für mich waren diese Tage voller Naturverbundenheit sehr, sehr wohltuend!
Das Wetter war einfach fantastisch, so dass ich auch die Nächte unterm meist sehr klaren Sternenhimmel verbrachte. Ich weiss gar nicht wie lange es schon her ist, seitdem ich das letzte Mal so viele Tage am Stück praktisch rund um die Uhr draussen an der frischen Luft war. Jeder Tag begann bei mir mit einem frühmorgendlichen, erquickenden „Wim Hoff’schen“ Wasserbad. Welch ein Segen so ein grosser, kupferner von frischem Bergquellwasser durchflossener Käsertrog sein kann!
Reich beschenkt fühlte ich mich auch von den wunderschönen Morgen- und Abendstimmungen, der meditativen Bergruhe und den vielen Sternschnuppen. Und ich glaube, so geht es eigentlich allen, die den Weg zur Alp hoch auf sich nehmen und sich auf eine eindrucksvolle Zeit intensiven Trainings, wie auch entspannten Zusammenseins in einer naturbelassenen, von rustikaler Einfachheit geprägten Umgebung einlassen. Jedenfalls fand sich auch dieses Jahr wieder eine ganz tolle Seminargruppe auf der Alp Collo zusammen. Viele unvergessliche Augenblicke konnten wir miteinander teilen. So zum Beispiel der Blick durch das Sternrohr auf Jupiter und seine drei Monde, die sagenhaften Sonnenuntergänge auf der hinteren Alp … und das Taiji-mässige Öffnen einer Banane 😉
… to be continued!
Und das berichteten die Teilnehmenden …
„Ich habe den Wechsel von den ganz stillen Übungen, bei welchen jeder mit den Bewegungen ganz bei sich am Vertiefen war, zu den Partnerübungen zu zweit sehr geschätzt. Diese Kombination hat mich sehr inspiriert. Spannend fand ich auch die Rückmeldungen und Anregungen aus den Partnerübungen dann wieder zurück zu mir selbst in mein eigenes Üben aufzunehmen und Neues auszuprobieren. Auch sehr schön fand ich, wie du uns auf unseren verschiedenen Wegstrecken – ich ganz am Anfang, andere schon einiges weiter – so gut begleitet hast. Ich bin da weder zu kurz gekommen, noch habe ich zu viel gemacht und fand es einfach wunderbar, dass ich so mit dabei sein konnte. Danke!“
„Ich habe das Seminar als sehr intensiv erlebt und bin immer wieder an den Punkt gekommen, an dem ich recht müde geworden bin. Ich fand es sehr bewundernswert, wie du selbst am Abend noch so eine Energie hattest und auch wirklich noch auf alles reagieren konntest und die Inhalte mit immer wieder neue Beispielen und Bildern vermittelt hast. Deine Anregungen haben mich dann immer wieder mitgenommen und mich meine Müdigkeit vergessen lassen. Das fand ich sehr schön, dass du mich so unterstützen konntest. Dass ich diese Intensivtage so durchziehen konnte ist für mich persönlich eine grosse Leistung.“
„Mir haben diese Tage hier auf der Alp auch wieder sehr gut getan. Dieser Ort ist wirklich super! Alles was man hier macht, wird einfach nur noch besser. Für mich war es sehr spannend zu erleben, wie du die Seminarinhalte vermittelt hast. Ich glaube, dass wenn man vorher noch nicht so genau wusste, was Taiji eigentlich ist, dass man in diesen Tagen einen sehr breiten Überblick bekommen hat, was Taiji so alles beinhaltet, … dass es Partnerübungen gibt, dass es Grundlagenübungen und Formen gibt und was dabei so die wichtigsten Punkte sind, die es zu beachten gilt. Ich glaube, jemand der noch kein Taiji gemacht hat wäre sicher gefordert auch von der Tiefe des vermittelten Stoffes, aber nicht zwingend überfordert … vor allem nicht, wenn man „seinen Becher leert“ und offen ist für Neues. Und ich finde, du hast in dieser kurzen Zeit wirklich ganz viel Wesentliches vermittelt, an dem man jetzt selbst noch jahrelang weiter arbeiten könnte. Vom Umfang und von der Dichte der Inputs her fand ich es sehr gehaltvoll und stimmig vermittelt. Auch ich fand die Kombination von Lösungsübungen mit vertiefenden Partnerübungen sehr gut. Mitzuerleben wie andere diese Übungen zum ersten Mal machen, war für mich sehr spannend. Mir wurden dabei immer wieder neue Details bewusst, auf die ich mich dann beim eigenen Üben achten konnte und die mich dann wieder einen Schritt weitergebracht haben. Danke.“
„Im Taiji bringe ich schon gewisse Vorkenntnisse mit. Die Verbindung von Taiji mit seinem philosophischen Hintergrund hat mir sehr gut gefallen. Wichtig für mich ist, dass die philosophischen Konzepte, die vermittelt wurden, nicht aus der Luft gegriffen, sondern sehr konkret erlebbar waren. Meinem Empfinden nach hatte das die erdende Wirkung der Übungen verstärkt. Besonders inspiriert haben mich die Lösungsübungen, welche ihren Ursprung ja im weissen Kranich Stil Kungfu (white crane style; 白鹤拳) haben. Ich konnte mir sehr gut die luftig-schwungvollen Bewegungen dieses schönen, eleganten Vogels vorstellen. Diese bildhaften Assoziationen an den Kranich zusammen mit dem Gefühl der Erdung haben für mich das Bewegungserleben der fünf Lösungsübungen noch viel intensiver gemacht. Was mir auch sehr gut gefallen hat, war die Einfachheit unserer Unterkunft. Da wurde mir so richtig bewusst, dass so ganz alltägliche Dinge wie Elektrizität und Wasserspülung plötzlich gar nicht mehr so selbstverständlich sind. Auch das Schlafen im Freien mit den vielen Sternschnuppen war für mich eine sehr schöne Erfahrung, die ich bis jetzt so in der Schweiz noch nicht gemacht habe. Zu Beginn des Seminars hatte ich etwas Bedenken, ob ich wohl den Anschluss in der Gruppe finden würde. Die Leute hier waren aber alle sehr nett und ich habe mich in der Gruppe sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt. Marko bringt neben seinen Erfahrungen im Taiji auch sonst noch sehr Vieles mit, so dass ich mich von ihm gut verstanden gefühlt habe.“
„Das erlebte Raum- und Zeitgefälle fand ich dieses Jahr besonders spannend. Bisher hatten wir jeweils drei Tage auf der Alp verbracht. Jetzt aber waren wir zum ersten Mal vier Tage am Stück hier oben im Taiji-Workshop. Trotzdem kam mir die Zeit hier oben so kurzweilig wie ein Wochenende vor. Obwohl alles so dicht war, war es zugleich auch irgendwie sehr ausgedehnt gewesen. Begonnen hat das Seminar dieses Jahr ja mit einigen „Pannen“: Angefangen mit der Zugverspätung bei der Anreise, dem Brotbacken am ersten Abend, dass sich bis drei Uhr morgens in die Länge gezogen hatte und auch die Polenta-Gemüsepfanne hatte doch einiges mehr an Zeit in Anspruch genommen als geplant. Ich fand es sehr spannend, solche Prozesse in diesem leeren Raum, in diesem Spielraum des Raum-Zeit-Kontinuums, zu beobachten. Schon zum fünften Mal bin ich jetzt auf der Alp Collo im Taiji-Workshop und ich profitiere jedes mal von neuen Herangehensweisen, die mich zu neuen Entdeckungen führen und mich in meinen eigenen Prozessen unterstützen. Herzlichen Dank.“