HongKong Park

Während meiner Taiji-Lehrer Ausbildung gab es jeden Sommer eine intensive Trainingswoche in den Bergen. Vor dem Morgenessen wurde eine Stunde still geübt, bis zur Mittagspause fanden drei weitere Unterrichtsstunden statt und am Nachmittag nochmals drei Lektionen bis zum Abendessen. Geübt wurden verschiedene Lockerungsübungen, Kurzformen, die lange Handform, sowie auch einzelne Partnerübungen (Tuishou). Für jene, die nach dem Abendessen noch weiter für sich alleine oder auch mit anderen zusammen üben wollten, für die gab es den „HongKong Park“ – ein freies Üben draussen unter den milden Strahlen der Abendsonne. Und es hatte wirklich etwas von der entspannten, bewegungseinladenden Atmosphäre, wie ich sie auch in den Parkanlagen chinesischer Grossstädte erlebt hatte. Diese Stunden im HongKong Park sind mir in schöner Erinnerung geblieben. Auch jetzt, Jahre später freue ich mich über jede Gelegenheit im Freien üben zu können. So habe ich mit der Zeit einige schöne Taiji-Orte entdeckt, an welchen ich mit meinen Kursgruppen, meinen Trainingspartnern, oder auch für mich alleine in den Fluss der Taiji-Bewegungen eintauchen kann. Getragen von der Erde unter dem weiten Himmel – ganz Verbunden mit der Natur. In einem neulichen Gespräch mit einer Landschaftsarchitektin ist mir der grosse Stellenwert natürlicher und naturnaher Seinsräume wieder einmal mehr bewusst geworden. Dadurch Angeregt möchte ich hier ein paar dieser für mich besonderen „Taiji-Orte“ vorstellen.

.

Parkanlage am Universitätsspital Zürich

Dieser wunderbarer Park befindet sich gleich vis-à-vis des Hauptgebäudes der Universität Zürich. Die lebhafte Rämistrasse hinter sich lassend wurde der Besucher noch bis vor Kurzem von einer grossen Wiese mit schönen alten Kiefern, Platanen, Kastanien und Akazien zum entspannten Verweilen eingeladen. Im Herzen des Parks und doch etwas versteckt liegt der wetterfest überdachte Pavillon. So war es für mich und meine USZ-Taijigruppe immer möglich bei jeder Wetterlage im Park zu üben.

Eines morgens jedoch, stellten wir ganz überrascht fest, dass unser Pavillion noch während unserer Taiji-Stunde mit Absperrgittern und Baustellenplanken unzugänglich gemacht wurde und wir uns nicht ohne Weiteres einen Ausweg verschaffen mussten. Da wurden wir von den Bauarbeitern informiert, dass der Bau einer neuen Energiezentrale das Absperren grosser Parkflächen und eben auch des Pavillons erforderte und dies wohl so noch zwei bis drei Jahre dauern würde. Bleibt zu hoffen, dass uns und allen Parkbesuchern der liebgewonnene Pavillon erhalten bleibt. Zum Glück ist noch ein nettes Wiesenstück neben der grossen Kiefer frei geblieben, wo es neben Slacklinern, Physiotherapeuten und ihren Patienten noch genug Raum für eine bewegungsfreudige Taiji-Gruppe gibt.

.

Insel-Park in Bern

Im Inselspital werden aus Platzmangel einzelne Gebäude in die Höhe ausgebaut. Dennoch gibt es auf dem Areal des schweizweit grössten Spitals immer wieder grüne Oasen anzutreffen. Eine davon befindet sich ganz in der Nähe der Kindertagesstätte beim Insel-Heim. Eine schöne, grosse, alte Blutbuche schenkt im Sommer wohltuenden Schatten und bietet bei einsetzendem Regen einen klangvollen Unterstand. Zum Taiji-Üben ist der Kiesboden neben dem Insel-Heim sehr dienlich. Man spürt die Kieselsteine unter den Füssen und bei den Drehungen, Schritten und Gewichtsverlagerungen kann man sie nicht nur unter der Schuhsohle fühlen, sondern auch hören. Manchmal verlassen wir diesen gelenksschohnenden Boden und gehen auf die Wiese, wo der Widerstand des Grases einem sehr gut helfen kann die Fülle im Standbein von der Leere im Spielbein zu unterscheiden. Es ist ein sympathischer Ort, der über die Mittagszeit bei schönem Wetter gerne von den Spitalangestellten zum Picknicken genutzt wird. Aus der nahe gelegenen Kita hört man manchmal die kleinen Kinder spielen, lachen, streiten und schreien. Hie und da dringt mal durch die Sträucher und Hecken ein Autohupen oder Trammquietschen von der Effingerstrasse in den Park herein … währenddem unsere kleine Taiji-Gruppe ganz im Lauschen des Bewegungsflusses der „schönen Weberin am Webstuhl“ vertieft ist … alles hat Platz!

Und der Platz soll in den kommenden Jahren noch grösser und schöner werden! Das durfte ich vor Kurzem von einer Landschaftsarchitektin erfahren, die an der Projektierung dieses erweiterten Landschaftsparks mitwirkt. Natürlich habe ich diese Gelegenheit genutzt um ihr nahe zu legen, dass so ein überdachter Pavillon schon noch was Tolles sei, der es den Besuchern erlaube, auch bei schlechter Witterung den Park als einen naturnahen Freiraum zu nutzen und geniessen. Lassen wir uns mal überraschen! 🙂

.

Rieterpark in Zürich

Für alle, die mal in diesem Park waren, werden ihn nie vergessen! Eine etwas abseits am Stadtrand unweit vom Bahnhof Enge gelegene Parkanlage mit Blick auf den in der Morgensonne glitzernden Zürichsee. Seit ich Taiji mache, komme ich sehr gerne immer wieder mal an einem Sonntagmorgen an diesen Ort zum Üben. Manchmal alleine, oft aber auch zusammen mit Freunden. Doch selbst in den frühen Morgenstunden ist man in diesem Park nie ganz allein. Linden säumen die Allee zum Aussichtsfeld, Vögel erfreuen sich der mannigfaltigen Gebüsche, der nahe gelegenen Obstbäume und der stolz empor ragenden Baumkronen. Und mit der aufsteigenden Sonne kommen dann auch immer mehr Leute joggend, Hunde spazierend, Kinderwagen schiebend oder auch einfach gemütlich flanierend vorbei. Bänke hat es viele. Ein schöner Ort zum Sein, um die Beine auszustrecken und dabei seinen Blick in die Weite über den Züri-See schweifen zu lassen, um bei einer Tasse Tee ein Kapitel in einem guten Buch zu lesen, oder eben auch um ein paar mal durch die Taiji-Form zu fliessen.

Sehr friedvoll ist die Stimmung an diesem Ort, der eine anziehende Wirkung auf Gross und Klein hat. Touristen gibt es da nicht besonders viele und jene die doch den Weg zum Rieterpark finden, kommen in erster Linie ins Völkerkundliche Rietbergmuseum zu Besuch. Doch finden sie sich dann nicht selten ganz ergriffen von der beruhigenden und tragenden Wirkung dieser ehrwürdigen Parkanlage. Ein wirklich ganz besonderer Ort.

.

Dreilindenpark in Luzern

Selbst Luzerner müssen manchmal ein paar Momente lang überlegen, bis es ihnen langsam zu dämmern beginnt, um welchen Park es denn dabei eigentlich geht. „Ah ja … da ist doch die Musikschule, oder?“ Also, wäre dieser Park in China und nicht hier in der Schweiz, müsste man garantiert Eintritt bezahlen … und das bestimmt nicht wenig! Keine 10 min mit dem Bus vom Bahnhof entfernt, einmal dort, kommt einem die Stadt weit weg vor. Kein Wunder, denn zum Park führt eine steile und nicht allzu kurze Treppe hoch, welche einen die Stadt und alles andere hinter sich sein lässt und einem die Sinne für die prachtvollen, alten Baumriesen aber auch für die zum Greifen nahen Berge um den Vierwaldstättersee öffnet.

Eingebettet in diese märchenhafte Parklandschaft befindet sich das Konservatorium für klassische und mittelalterliche Musik. Die abgelegene Lage dieses Parks schützt ihn vor dem regelrechten Tourismusstrom, der sich fleissig durch die Luzerner Altstadt, die Seepromenade und über die Holzbrücke durchknippst. So sind es vor allem  Hundehalter, Spaziergänger, Musikstudenten und gelegentlich auch ein paar Freunde der bewegenden Künste, die sich dieses einzigartigen Ortes erfreuen.

.

Kurpark in Baden

Wenn ich mich zurückbesinne, wo mein Taiji-Üben im Freien so richtig begonnen hat, so führen mich meine Erinnerungen zurück in den Badener Kurpark. Dort verorte ich einige der schönsten Eindrücke während meiner Ausbildungszeit zum Taiji-Lehrer. Im Lehrgang war es vorgesehen, dass die Teilnehmenden sich zwischen den Ausbildungswochenenden regelmässig in Übungsgruppen treffen und gemeinsam das Gelernte wiederholen und sich im Anleiten der Übungen und Bewegungsformen üben. Und so wurde der Kurpark für meine Taiji-Freunde und mich während einigen Jahren zu einem zentralen Ort des gemeinsamen Übens, Austauschens, in Frage Stellens, Experimentierens und Entdeckens. Ob in brütender Sommerhitze oder klirrender Februarkälte, ob bei launenhaftem Aprilwetter oder stürmischem Herbstwind … kein einziges Mal wurde ein Übungstreffen abgesagt. Mit jedem gemeinsam durchgestandenen Unwetter wuchs der Zusammenhalt in unserer Übungsgruppe. Es war eine wunderbare Zeit. Ja und der Park? … Ja, der ist ganz ok. In meinem Fall sind es die Menschen und die mit ihnen geteilten Erlebnisse, die diesen Ort für mich zu etwas Besonderem machen.

Mein Fazit, Taiji im Freien kann ich nur empfehlen … und wenn man so etwas Schönes auch noch mit anderen zusammen Teilen kann, dann wird’s noch schöner! 🙂

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.